Die chirurgische Evaluation umfasst die gründliche Erhebung
der Krankengeschichte und eine körperliche Untersuchung. Abzuklären sind
folgende Punkte:
- Besteht ein krankhaftes Übergewicht?
- Bestehen Begleiterkrankungen?
- Wurden bereits konservative Maßnahmen zur Gewichtsreduktion durchgeführt?
- Wie hoch ist das Risiko für eine bariatrische Operation?
- Welche Ziele sollen mit der Operation erreicht werden?
- Welches OP-Verfahren kommt dafür in Frage?
- Ist eine regelmäßige Nachsorge gewährleistet?
Auch evtl. bestehende Kontraindikationen für eine
bariatrische Operation müssen abgeklärt werden:
- keine oder unzureichende konservative Therapieversuche
- bösartige Erkrankungen
- akute psychiatrische Erkrankungen
- chronische Substanzabhängigkeit (Alkohol, Drogen, Medikamente)
- fortgeschrittene Leberzirrhose
- mangelnde Kooperationsfähigkeit des Patienten
- bestehende Schwangerschaft
Edmonton Obesity Staging System (EOSS)
Im Rahmen der Erstuntersuchung wird natürlich auch der
aktuelle BMI ermittelt. Allerdings ist dieser nicht alleine für die
Therapieentscheidung maßgeblich, vielmehr müssen auch die adipositasbedingten
Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck,
Herzerkrankungen, Depressionen und psychosoziale Auffälligkeiten (z. B.
Essstörungen) bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden. Zur
Beurteilung wird daher das Edmonton Obesity Staging System (EOSS) herangezogen, mit dem in Ergänzung des
BMI die sogenannte Krankheitslast der Adipositas erfasst wird. Das EOSS besteht
aus fünf Stufen:
Stufe 0
Es besteht zwar eine Adipositas, jedoch liegen keine
adipositasbedingten Risikofaktoren vor, keine körperlichen Symptome,
Einschränkungen oder Beeinträchtigungen des Wohlbefindens.
Stufe 1
Es liegt wenigstens ein adipositasbedingter Risikofaktor von
geringer klinischer Ausprägung vor (z. B. gestörter Nüchtern-Blutzuckerwert),
leichte körperliche Symptome (z. B. Atemnot nach Treppensteigen) oder eine
leichte Beeinträchtigung des Wohlbefindens.
Stufe 2
Es liegt wenigstens eine manifeste adipositasbedingte
Erkrankung vor, z. B. Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck oder Angststörung.
Stufe 3
Der Patient hat bereits Komplikationen durch die Adipositas
erlitten: Herzinfarkt, Herzschwäche, Komplikationen durch einen Diabetes
mellitus Typ 2 (z. B. Nierenprobleme) sowie erhebliche Einschränkungen des
Wohlbefindens.
Stufe 4
Der Patient leidet an schweren Folgeschäden der Adipositas,
schweren psychosozialen Störungen sowie gravierender Beeinträchtigung des
Wohlbefindens.
Insgesamt ist die chirurgische Evaluation eine relativ zeitaufwendige
Angelegenheit, die meist mehrerer ambulanter Termine in einem Zentrum für
Adipositaschirurgie bedarf.
Quellen:
Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes
Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin
(2014) Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie
der Adipositas“. AWMF-Register Nr. 050/001. Klasse: S3. Version 2.0.
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie,
Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CAADIP), Deutsche
Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie, Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2010)
S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas.
Hüttl TP, Stauch P, Wood H, Fruhmann J (2015) Bariatrische
Chirurgie. Aktuelle Ernährungsmed 40: 256–274
Sharma AM,
Kushner RF (2009) A proposed clinical staging system for obesity. Int J Obes
33: 289–295