30.07.18

Chirurgische Evaluation


Die chirurgische Evaluation umfasst die gründliche Erhebung der Krankengeschichte und eine körperliche Untersuchung. Abzuklären sind folgende Punkte:

  • Besteht ein krankhaftes Übergewicht?
  • Bestehen Begleiterkrankungen?
  • Wurden bereits konservative Maßnahmen zur Gewichtsreduktion durchgeführt?
  • Wie hoch ist das Risiko für eine bariatrische Operation?
  • Welche Ziele sollen mit der Operation erreicht werden?
  • Welches OP-Verfahren kommt dafür in Frage?
  • Ist eine regelmäßige Nachsorge gewährleistet?

Auch evtl. bestehende Kontraindikationen für eine bariatrische Operation müssen abgeklärt werden:

  • keine oder unzureichende konservative Therapieversuche
  • bösartige Erkrankungen
  • akute psychiatrische Erkrankungen
  • chronische Substanzabhängigkeit (Alkohol, Drogen, Medikamente)
  • fortgeschrittene Leberzirrhose
  • mangelnde Kooperationsfähigkeit des Patienten
  • bestehende Schwangerschaft

Edmonton Obesity Staging System (EOSS)

Im Rahmen der Erstuntersuchung wird natürlich auch der aktuelle BMI ermittelt. Allerdings ist dieser nicht alleine für die Therapieentscheidung maßgeblich, vielmehr müssen auch die adipositasbedingten Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Depressionen und psychosoziale Auffälligkeiten (z. B. Essstörungen) bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden. Zur Beurteilung wird daher das Edmonton Obesity Staging System (EOSS) herangezogen, mit dem in Ergänzung des BMI die sogenannte Krankheitslast der Adipositas erfasst wird. Das EOSS besteht aus fünf Stufen:

Stufe 0
Es besteht zwar eine Adipositas, jedoch liegen keine adipositasbedingten Risikofaktoren vor, keine körperlichen Symptome, Einschränkungen oder Beeinträchtigungen des Wohlbefindens.

Stufe 1
Es liegt wenigstens ein adipositasbedingter Risikofaktor von geringer klinischer Ausprägung vor (z. B. gestörter Nüchtern-Blutzuckerwert), leichte körperliche Symptome (z. B. Atemnot nach Treppensteigen) oder eine leichte Beeinträchtigung des Wohlbefindens.

Stufe 2
Es liegt wenigstens eine manifeste adipositasbedingte Erkrankung vor, z. B. Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck oder Angststörung.

Stufe 3
Der Patient hat bereits Komplikationen durch die Adipositas erlitten: Herzinfarkt, Herzschwäche, Komplikationen durch einen Diabetes mellitus Typ 2 (z. B. Nierenprobleme) sowie erhebliche Einschränkungen des Wohlbefindens.

Stufe 4
Der Patient leidet an schweren Folgeschäden der Adipositas, schweren psychosozialen Störungen sowie gravierender Beeinträchtigung des Wohlbefindens.

Insgesamt ist die chirurgische Evaluation eine relativ zeitaufwendige Angelegenheit, die meist mehrerer ambulanter Termine in einem Zentrum für Adipositaschirurgie bedarf.


Quellen:

Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2014) Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“. AWMF-Register Nr. 050/001. Klasse: S3. Version 2.0.

Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CAADIP), Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2010) S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas.

Hüttl TP, Stauch P, Wood H, Fruhmann J (2015) Bariatrische Chirurgie. Aktuelle Ernährungsmed 40: 256–274 

Sharma AM, Kushner RF (2009) A proposed clinical staging system for obesity. Int J Obes 33: 289–295