29.07.18

Internistische Evaluation


Aufgabe der internistischen Evaluation ist es, Krankheiten zu identifizieren, die zur Adipositas geführt haben könnten, auch wenn diese zahlenmäßig sehr selten sind. Dazu gehören u.a. Schilddrüsen- und Nebennierenerkrankungen.

Erkrankungen, die mit einer Schilddrüsenunterfunktion einhergehen, können eine Adipositas verursachen. Allerdings werden milde Unterfunktionen der Schilddrüse, an denen recht viele Menschen leiden, in ihrer Bedeutung für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas deutlich überschätzt. 

Anders ist das beim Cushing-Syndrom, einer Erkrankung der Nebenniere, die mit einer erhöhten Cortisolproduktion einhergeht. Sie ist zwar eher selten, führt aber regelhaft zur sogenannten Stammadipositas, bei der der Rumpf erhebliche Fettpolster aufweist, die Extremitäten jedoch sehr dünn sind. Typisch sind auch über 1 cm breite rötliche Dehnungsstreifen der Haut. Immerhin leidet rund 1 % aller Adipösen, die sich in einem Zentrum für Adipositaschirurgie vorstellen, an dieser Nebennierenerkrankung. Hat sich die Adipositas rasch innerhalb eines kurzen Zeitraums entwickelt, muss auch an einen Tumor der Hirnanhangdrüse gedacht werden.


Ein weiterer Schwerpunkt der internistischen Evaluation ist die Erfassung typischer Folgekrankheiten der Adipositas wie Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Herzkreislauferkrankungen. Bereits vorbestehende Komplikationen wie Herzschwäche, Herzinfarkt, Schlaganfälle usw. werden erfragt. Ein Screening auf schlafbezogene Atmungsstörungen ist sinnvoll.

Auch sollte der Ernährungszustand hinsichtlich einer ausreichenden Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen untersucht werden und ein Screening auf Mangelzustände erfolgen (z. B. Vitamin D, B12 und Eisenstatus). Auch die Untersuchung auf Geschwüren mittels einer Magen- und Zwölffingerdarm-Spiegelung wird in vielen Zentren durchgeführt wie eine Ultraschalluntersuchung der Bauchhöhle (Gallensteine? Lebergröße?). Bei Frauen empfiehlt sich zudem eine Knochendichtemessung.


Die Einschätzung des Essverhaltens sollte durch eine Ernährungsfachkraft erfolgen:
  • Häufigkeit der täglichen Mahlzeiten
  • Zusammensetzung der Mahlzeiten
  • Menge an Nahrungsmitteln, die während und ggf. auch zwischen den Mahlzeiten konsumiert werden
  • Hunger- und Sättigungsgefühl
  • Essumstände (alleine, in Gesellschaft, zu Hause, auswärts)
  • Erfahrungen mit Diäten


Quellen:

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