Aufgabe der internistischen Evaluation ist es, Krankheiten
zu identifizieren, die zur Adipositas geführt haben könnten, auch wenn diese
zahlenmäßig sehr selten sind. Dazu gehören u.a. Schilddrüsen- und
Nebennierenerkrankungen.
Erkrankungen, die mit einer Schilddrüsenunterfunktion
einhergehen, können eine Adipositas verursachen. Allerdings werden milde
Unterfunktionen der Schilddrüse, an denen recht viele Menschen leiden, in ihrer
Bedeutung für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas deutlich
überschätzt.
Anders ist das beim Cushing-Syndrom, einer Erkrankung der
Nebenniere, die mit einer erhöhten Cortisolproduktion einhergeht. Sie ist zwar
eher selten, führt aber regelhaft zur sogenannten Stammadipositas, bei der der
Rumpf erhebliche Fettpolster aufweist, die Extremitäten jedoch sehr dünn sind.
Typisch sind auch über 1 cm breite rötliche Dehnungsstreifen der Haut. Immerhin
leidet rund 1 % aller Adipösen, die sich in einem Zentrum für
Adipositaschirurgie vorstellen, an dieser Nebennierenerkrankung. Hat sich die
Adipositas rasch innerhalb eines kurzen Zeitraums entwickelt, muss auch an
einen Tumor der Hirnanhangdrüse gedacht werden.
Ein weiterer Schwerpunkt der internistischen Evaluation ist
die Erfassung typischer Folgekrankheiten der Adipositas wie Diabetes mellitus
Typ 2, Bluthochdruck und Herzkreislauferkrankungen. Bereits vorbestehende
Komplikationen wie Herzschwäche, Herzinfarkt, Schlaganfälle usw. werden
erfragt. Ein Screening auf schlafbezogene Atmungsstörungen ist sinnvoll.
Auch sollte der Ernährungszustand hinsichtlich einer
ausreichenden Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen untersucht werden und
ein Screening auf Mangelzustände erfolgen (z. B. Vitamin D, B12 und
Eisenstatus). Auch die Untersuchung auf Geschwüren mittels einer Magen- und
Zwölffingerdarm-Spiegelung wird in vielen Zentren durchgeführt wie eine
Ultraschalluntersuchung der Bauchhöhle (Gallensteine? Lebergröße?). Bei Frauen
empfiehlt sich zudem eine Knochendichtemessung.
Die Einschätzung des Essverhaltens sollte durch eine
Ernährungsfachkraft erfolgen:
- Häufigkeit der täglichen Mahlzeiten
- Zusammensetzung der Mahlzeiten
- Menge an Nahrungsmitteln, die während und ggf. auch zwischen den Mahlzeiten konsumiert werden
- Hunger- und Sättigungsgefühl
- Essumstände (alleine, in Gesellschaft, zu Hause, auswärts)
- Erfahrungen mit Diäten
Quellen:
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