24.07.18

Hunger- und Sättigungsregulation


Der Wirkmechanismus der bariatrischen Chirurgie beruht maßgeblich auf der Beteiligung von Hormonen, die im Magen-Darm-Trakt gebildet werden. Konservative Maßnahmen zur Gewichtsreduktion scheitern häufig, was oftmals auf kompensatorische Veränderungen dieser Hormone zurückzuführen ist, wenn dem Körper beispielsweise durch eine Diät weniger Energie zugeführt wird. Nach bariatrischen Eingriffen hingegen zeigen sich eine Reduktion der Bildung von Ghrelin, einem Hormon, das Hungergefühle auslöst, sowie eine vermehrte Produktion von Hormonen, die ein Sättigungsgefühl hervorrufen.

Ghrelin macht dick und glücklich

Ghrelin ist ein appetitanregendes Hormon, welches in der Magenschleimhaut und der Bauchspeicheldrüse produziert wird.  Es beeinflusst die Hirnregionen, die Appetit auslösen, und steuert so zusammen mit Leptin und Cortisol das Hunger- und Sättigungsgefühl. In Hungerphasen steigt der Ghrelinspiegel im Blut an, nach dem Essen sinkt er ab. Außerdem verlangsamt Ghrelin die Fettverbrennung. Dass dadurch das Gewicht klettern kann, ist eindeutig belegt. Forscher beobachteten auch, dass bei Übergewichtigen der Ghrelinspiegel nicht wie bei anderen sinkt, nachdem sie etwas gegessen haben. Ghrelin kann aber auch zu äußerst positiven Effekten führen. Es dämpft nämlich auch Angstgefühle und Depressionen.

Manuel Almagro RivasGhrelin-3D-predictedCC BY-SA 4.0

Nach bariatrischen Eingriffen sinkt der Ghrelin-Spiegel ab, während er nach Gewichtsverlust durch Diät ansteigt. Magenbypass- und Schlauchmagenoperation führen zu einer deutlichen Reduzierung der Ghrelin-Konzentration im Blut. Diese Reduktion wird dadurch erklärt, dass die Nahrung den Magen über den Bypass umgeht bzw. beim Schlauchmagen der Teil des Magens entfernt wird, der für die Produktion des Ghrelins zuständig ist.

Cholezystokinin

Ein weiteres Peptidhormon des Magen-Darm-Trakts ist das Cholezystokinin. Es wird im Duodenum (Zwölffingerdarm) und Dünndarm in speziellen  Zellen, den sogenannten I-Zellen, produziert. Die Ausschüttung des Hormons wird durch Fett- und Aminosäuren im Nahrungsbrei angeregt. Es ist zentralnervös an der Auslösung des Sättigungsgefühls beteiligt.

McortNGHHEffects of CCK on the gastrointestinal tractCC BY-SA 4.0

Nach einer bariatrischen Operation, insbesondere nach einer Schlauchmagenoperation,  steigt der Cholezystokinin-Wert nach dem Essen deutlich stärker an, wodurch das Sättigungsgefühl intensiviert wird, was langfristig zu einer Reduktion des Körpergewichts führt. 

Glucagon-like Peptide 1

Das Protein Glucagon-like Peptid 1, kurz GLP-1, ist ein Peptidhormon, das im Darm (L-Zellen von Ileum und Kolon) produziert und nach der Nahrungsaufnahme in den Blutkreislauf freigesetzt wird. GLP-1 spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Glukosestoffwechsels und hat folgende Wirkungen:

  • Stimulation der Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse
  • Verbesserung/Wiederherstellung der Glukosekontrolle
  • Verzögerung der Magenentleerung
  • Hemmung des Hunger- und Durstgefühls

Die Magenbypassoperation führt zu einer verstärkten GLP-1-Produktion nach der Nahrungsaufnahme, wovon insbesondere Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 profitieren, da bei ihnen die mahlzeitenabhängige GLP-1-Freisetzung reduziert ist.

Jawahar Swaminathan and MSD staff at the European Bioinformatics InstitutePDB 1d0r EBI, marked as public domain, more details on Wikimedia Commons

Wird die Magenbypassoperation mit einer Schlauchmagenbildung kombiniert, kommt es zu einer zusätzlichen Stimulation der GLP-1-Freisetzung. Dieser Effekt tritt bereits sehr früh nach der bariatrischen Operation ein, in der Regel innerhalb weniger Tage und unabhängig von der Gewichtsreduktion.

Leptin

Leptin ist ein Hormon, das überwiegend von den körpereigenen Fettzellen (Adipozyten) produziert wird. Es vermindert das Hunger- und verstärkt das Sättigungsgefühl, wirkt also normalerweise appetitzügelnd. Tatsächlich ist bei vielen adipösen Menschen das Gegenteil der Fall: Trotz hoher Konzentration des Hormons im Blut wirkt es nicht wie bei Normalgewichtigen hemmend auf den Appetit. Dieser Effekt wird als Leptinresistenz bezeichnet, deren Ursache weitgehend unbekannt ist.
Bei einer Leptinresistenz ist die Wirkung des zentralen Sättigungssignals gestört, d. h. die Nahrungsaufnahme ist erhöht. Die Folge ist eine endokrin (hormonell) bedingte Adipositas mit einem verminderten Ansprechen der Körperzellen auf Insulin.

Jawahar Swaminathan and MSD staff at the European Bioinformatics InstitutePDB 1ax8 EBI, marked as public domain, more details on Wikimedia Commons

Nach einer bariatrischen Operation sinkt der Leptin-Spiegel im Blut stark ab (um 75 %), was sowohl nach Magenbypass- als auch nach Schlauchmagenoperation zu beobachten ist. Das Absinken von Leptin ist bereits wenige Wochen nach der Operation zu verzeichnen.


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