28.07.18

Psychosomatische Evaluation


Vor dem Hintergrund, dass bis zu 70 % aller Adipositas-Patienten irgendwann in ihrem Leben von einer psychischen Erkrankung betroffen waren, empfehlen die Leitlinien der Adipositaschirurgie eine psychosomatische Evaluation. 



Die psychosomatische Evaluation hat dabei nicht die Funktion, Adipositaspatienten mit psychischen Auffälligkeiten konsequent auszusortieren bzw. ihnen den Zugang zur bariatrischen Chirurgie zu verwehren. Vielmehr sollen psychische Erkrankungen im Vorfeld erkannt und behandelt werden, um das Ergebnis des chirurgischen Eingriffs zu optimieren und die Patienten auf die psychosozialen Veränderungen nach der Operation vorzubereiten.  Lediglich bei gravierenden psychopathologischen Zuständen wie beispielsweise Psychosen, Suizidneigung, Substanzabhängigkeiten und eine unbehandelte Bulimie muss der bariatrische Eingriff zunächst zurückgestellt werden.

Die Evaluation erfolgt durch persönliche Interviews und Fragebögen. Hierbei geht es u.a. um Essstörungen, erfolglose konservative Abnehmversuche, aber auch Substanzmissbrauch, Depressionen, Suizidgedanken und -versuche. Auch sollten die Erwartungen der Patienten an die bariatrische Operation besprochen werden, da diese nicht selten unrealistisch sind hinsichtlich Gewichtsverlust und der erhofften Ästhetik der körperlichen Veränderungen. Zuweilen wird die operative Behandlung der Adipositas als schnelle und umfassende Lösung von Problemen angesehen, die aus der Sicht des Betroffenen ausschließlich der Adipositas zugeschrieben werden. 

Weitere Themen der psychosomatischen Evaluation sind die Bereitschaft des Patienten, bisherige Lebens- und Ernährungsgewohnheiten nachhaltig zu ändern sowie eine zuverlässige lebenslange medizinische Nachsorge zu gewährleisten.


Quellen:

Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2014) Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“. AWMF-Register Nr. 050/001. Klasse: S3. Version 2.0.

Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CAADIP), Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2010) S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas.

Müller A, Herpertz S, de Zwaan M (2012) Psychosomatische Aspekte der Adipositaschirurgie. Psychother Psychosom Med Psychol 62: 473–479 

Wimmelmann CL, Dela F, Mortensen EL (2014) Psychological predictors of mental health and health-related quality of life after bariatric surgery: a review of the recent research. Obes Res Clin Pract 8: e314–324 

Wimmelmann CL, Dela F, Mortensen EL (2014) Psychological predictors of weight loss after bariatric surgery: a review of the recent research. Obes Res Clin Pract 8: e299–313