13.08.18

Adipositas und Psyche


Die Adipositas ist häufig mit psychischen Störungen vergesellschaftet.  In der deutschen Allgemeinbevölkerung geben 38  % an, in ihrem bisherigen Leben an einer psychischen Störung gelitten zu haben, unter adipösen Menschen rund 48 %. Ob die Adipositas ursächlich für psychische Erkrankungen ist oder umgekehrt, ist unklar, vielmehr wird angenommen, dass die Erkrankungen sich gegenseitig beeinflussen und auch weitere Faktoren eine Rolle spielen.

Innerhalb der adipösen Population ist die Häufigkeit psychischer Störungen unterschiedlich stark ausgeprägt. Adipöse Patienten, die eine bariatrische Operation anstreben, weisen in über 70 % wenigstens eine psychische Störung auf. Besonders anfällig sind Frauen mit einem hohen BMI. Wird zur Behandlung der Adipositas eine konservative Therapie durchgeführt (Ernährung, Bewegung), liegt die Häufigkeit psychischer Störungen deutlich niedriger. 

Stigmata - gefräßig, faul und willensschwach

In unserer Gesellschaft sind stigmatisierende Haltungen gegenüber adipösen Menschen weit verbreitet. Adipöse Menschen werden für ihr Übergewicht verantwortlich gemacht. Sie werden nicht selten als gefräßig, faul und willensschwach bezeichnet und ihr Übergewicht als Folge individuellen Fehlverhaltens betrachtet. Abgesehen von abwertenden bis hin zu aggressiven Äußerungen werden Adipöse in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz und auch im Gesundheitswesen häufig benachteiligt. 



Betroffene entwickeln aufgrund der Stigmatisierungen ein negatives Körperbild, verlieren an Selbstwerterleben, geraten in soziale Isolation und sind einem erhöhten Risiko für Depressionen und Angststörungen ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität adipöser Menschen im Allgemeinen schlechter als in der Allgemeinbevölkerung. 

Depressionen und Angststörungen

Studien belegen den Zusammenhang zwischen Adipositas und Depressionen. Adipöse Menschen haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein um 55 % erhöhtes Risiko, eine Depression zu entwickeln. Auch hier gilt, je stärker der Wunsch nach Gewichtsreduktion ist, desto eher entwickeln die Betroffenen eine Depression.  Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit für Depressive eine Adipositas zu entwickeln um 58 % erhöht.



Angststörungen gehören in den entwickelten Ländern zu den häufigsten psychischen Störungen, von denen rund 25 % der Bevölkerung wenigstens einmal in ihrem Leben betroffen sind.  Dazu gehören die generalisierten Angststörungen, die nicht an einem bestimmten Objekt oder einer konkreten Situation fest gemacht werden, die Panikstörungen und die Phobien. Für adipöse Menschen ist das Risiko einer gleichzeitig bestehenden Angsterkrankung um 40 % erhöht und steigt mit zunehmendem BMI weiter an.

Missbrauch und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)

Es besteht ein gesicherter Zusammenhang zwischen körperlichem und sexuellem Missbrauch in der Kindheit und der Entwicklung einer Adipositas. Studien belegen ein um 36 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Adipositas nach Missbrauch in der Kindheit.




Für die PTBS sind psychische Reaktionen typisch, die vor dem Hintergrund  eines belastenden Ereignisses mit außergewöhnlicher Bedrohung auftreten, z. B. als Flashbacks, Alpträumen, Übererregbarkeit oder Vermeidungsverhalten. 50 % aller Menschen mit einer PTBS weisen eine viszerale Adipositas auf. Die Wahrscheinlichkeit, eine Adipositas infolge einer PTBS zu entwickeln, ist insbesondere bei Frauen erhöht.

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