Die Adipositas ist häufig mit psychischen Störungen
vergesellschaftet. In der deutschen
Allgemeinbevölkerung geben 38 % an, in
ihrem bisherigen Leben an einer psychischen Störung gelitten zu haben, unter
adipösen Menschen rund 48 %. Ob die Adipositas ursächlich für psychische
Erkrankungen ist oder umgekehrt, ist unklar, vielmehr wird angenommen, dass die
Erkrankungen sich gegenseitig beeinflussen und auch weitere Faktoren eine Rolle
spielen.
Innerhalb der adipösen Population ist die Häufigkeit
psychischer Störungen unterschiedlich stark ausgeprägt. Adipöse Patienten, die
eine bariatrische Operation anstreben, weisen in über 70 % wenigstens eine
psychische Störung auf. Besonders anfällig sind Frauen mit einem hohen BMI.
Wird zur Behandlung der Adipositas eine konservative Therapie durchgeführt
(Ernährung, Bewegung), liegt die Häufigkeit psychischer Störungen deutlich niedriger.
Stigmata - gefräßig,
faul und willensschwach
In unserer Gesellschaft sind stigmatisierende Haltungen
gegenüber adipösen Menschen weit verbreitet. Adipöse Menschen werden für ihr
Übergewicht verantwortlich gemacht. Sie werden nicht selten als gefräßig, faul
und willensschwach bezeichnet und ihr Übergewicht als Folge individuellen
Fehlverhaltens betrachtet. Abgesehen von abwertenden bis hin zu aggressiven
Äußerungen werden Adipöse in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz und auch im
Gesundheitswesen häufig benachteiligt.
Betroffene entwickeln aufgrund der
Stigmatisierungen ein negatives Körperbild, verlieren an Selbstwerterleben,
geraten in soziale Isolation und sind einem erhöhten Risiko für Depressionen und
Angststörungen ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist die gesundheitsbezogene
Lebensqualität adipöser Menschen im Allgemeinen schlechter als in der
Allgemeinbevölkerung.
Depressionen und
Angststörungen
Studien belegen den Zusammenhang zwischen Adipositas und
Depressionen. Adipöse Menschen haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein
um 55 % erhöhtes Risiko, eine Depression zu entwickeln. Auch hier gilt, je
stärker der Wunsch nach Gewichtsreduktion ist, desto eher entwickeln die
Betroffenen eine Depression. Umgekehrt
ist die Wahrscheinlichkeit für Depressive eine Adipositas zu entwickeln um 58 %
erhöht.
Angststörungen gehören in den entwickelten Ländern zu den
häufigsten psychischen Störungen, von denen rund 25 % der Bevölkerung wenigstens
einmal in ihrem Leben betroffen sind.
Dazu gehören die generalisierten Angststörungen, die nicht an einem
bestimmten Objekt oder einer konkreten Situation fest gemacht werden, die
Panikstörungen und die Phobien. Für adipöse Menschen ist das Risiko einer
gleichzeitig bestehenden Angsterkrankung um 40 % erhöht und steigt mit
zunehmendem BMI weiter an.
Missbrauch und
posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
Es besteht ein gesicherter Zusammenhang zwischen
körperlichem und sexuellem Missbrauch in der Kindheit und der Entwicklung einer
Adipositas. Studien belegen ein um 36 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung
einer Adipositas nach Missbrauch in der Kindheit.
Für die PTBS sind psychische Reaktionen typisch, die vor dem
Hintergrund eines belastenden
Ereignisses mit außergewöhnlicher Bedrohung auftreten, z. B. als Flashbacks,
Alpträumen, Übererregbarkeit oder Vermeidungsverhalten. 50 % aller Menschen mit
einer PTBS weisen eine viszerale Adipositas auf. Die Wahrscheinlichkeit, eine
Adipositas infolge einer PTBS zu entwickeln, ist insbesondere bei Frauen
erhöht.
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