06.08.18

Bariatrische Chirurgie und Co.


Die konservative Behandlung der Adipositas bestehend aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie und ggf. medikamentöser Therapie zeigt häufig keine ausreichenden und nachhaltigen Effekte.  Die chirurgische Therapie der Adipositas hingegen hat sich als sehr effektiv und nachhaltig erwiesen, zudem ist sie sicher und kosteneffektiv. Sie führt nicht nur zu einer erheblichen Gewichtsreduktion, sondern auch zu einer deutlichen Verbesserung von adipositasbedingten Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Schlafapnoe-Syndrom. Beim Diabetes mellitus Typ 2 tritt die Besserung der Blutzuckerwerte bereits unmittelbar postoperativ ein, unabhängig von der Gewichtsreduktion. Mit zunehmender Gewichtsreduktion steigen Lebensqualität und Lebenserwartung an.


Bariatrische Chirurgie

Die bariatrische Chirurgie ist ein Teilgebiet der Chirurgie, welches sich mit Eingriffen befasst, die eine Reduktion des Körpergewichtes erleichtern sollen. Die meisten bariatrischen Eingriffe werden endoskopisch über kleine Schnitte im Inneren des Bauchraumes vorgenommen („Schlüssellochchirurgie“). Die häufigsten in Deutschland durchgeführten Eingriffe zur Gewichtsreduktion sind der Schlauchmagen und der Magenbypass.

Adipositaschirurgie

Unter Adipositaschirurgie versteht man einen bariatrischen Eingriff, dessen Ziel primär die Gewichtsreduktion ist. Durch eine nachhaltige Gewichtsreduktion kann eine Verbesserung von adipositasbedingten Begleiterkrankungen bzw. deren Vorbeugung und eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden.

Metabolische Chirurgie

Unter metabolischer Chirurgie werden bariatrische Eingriffe wie oben verstanden, jedoch wird hier die Indikation primär zur Verbesserung der Stoffwechsellage bei einem vorbestehenden Diabetes mellitus Typ 2 gestellt. Die Gewichtsreduktion ist dabei ein willkommener Nebeneffekt, ist jedoch nicht das primäre Ziel des Eingriffs. Für andere mit der Adipositas bzw. mit dem metabolischen Syndrom assoziierte Erkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck gibt es derzeit keine ausreichenden Daten, um primär wegen dieser Erkrankungen die Indikation für einen metabolischen Eingriff zu stellen. 
  
Qualitätssicherung

Adipositaschirurgische Eingriffe sollen nur in Kliniken vorgenommen werden, die als Zentrum für Adipositaschirurgie zertifiziert sind oder die Zertifizierung anstreben. Zentren für Adipositaschirurgie sollen sich auf folgende Eingriffe beschränken:


  • Patientenalter zwischen ≥18 und <65 Jahren
  • Patienten ohne schwere Begleiterkrankungen (ASA* ≤3)
  • Patienten mit BMI <60 kg/m²
  • Adipositaschirurgische Standardeingriffe: Schlauchmagenbildung, Magenband, proximaler Roux-en-Y- Magenbypass und Omega-Loop-Magenbypass. 





Außerhalb dieser Kriterien liegende Patienten, anspruchsvollere Operationen und primär metabolische Eingriffe, die der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 dienen, sollen an einem Zentrum für Adipositas- und Metabolische Chirurgie mit besonderer Expertise vorgenommen werden:


  • jedes Patientenalter, insbesondere auch <18 bzw. ≥65 Jahre (vgl. Adipositaszentrum)
  • Risikopatienten mit schweren Begleiterkrankungen (ASA* >3)
  • Patienten mit BMI ≥ 60 kg/m²
  • zusätzlich zu adipositaschirurgische Standardeingriffe schwierige Bypass-Operationen, Umwandlungsoperationen und Redo-Eingriffe
  • primär metabolische Eingriffe (bei BMI < 40kg/m² in Zusammenarbeit mit einem in der Diabetologie versierten Arzt)


Zusätzlich soll der verantwortliche Chirurg über die Expertise von mindestens 300 adipositaschirurgischen bzw. metabolischen Eingriffen verfügen, die auch kniffelige Korrektur- oder Umwandlungseingriffe umfassen.

Sind adipositaschirurgische oder metabolische Eingriffe bei Kindern oder Jugendlichen geplant, sollen diese nur in Zusammenarbeit mit einer pädiatrischen Klinik erfolgen, die Erfahrung in der Behandlung der Adipositas hat, über entsprechend qualifiziertes Fachpersonal und einer für Kinder und Jugendliche geeignete Intensivstation verfügt. 

Quellen:

Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2014) Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“. AWMF-Register Nr. 050/001. Klasse: S3. Version 2.0

Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CAADIP), Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2010) S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas.

Fried M, Yumuk V, Oppert JM, et al. (2013) Interdisciplinary European Guidelines on Metabolic and Bariatric Surgery. Obes Facts 6: 449–468

Hüttl TP, Stauch P, Wood H, Fruhmann J (2015) Bariatrische Chirurgie. Aktuelle Ernährungsmed 40: 256–274

Mingrone G, Panunzi S, De Gaetano A, et al. (2012). Bariatric surgery versus conventional medical therapy for type 2 diabetes. N Engl J Med 366: 1577–1585

Runkel N, Colombo-Benkmann M, Hüttl TP, et al. (2011) Bariatric Surgery. Dtsch Arztebl Int 108: 341–346

Weiner RA (2015) Adipositas – Wann ist der Chirurg gefragt? Dtsch Med Wochenschr 140: 29–33